Ein Langzeitkredit für eine offensichtlich klimaschädliche Produktionsanlage? Eine erweiterte Kreditlinie für ein umweltsensibles Geschäftsmodell – trotz verschärfter gesetzlicher Auflagen? Wie würde sich das auf die Nachhaltigkeitsbilanz und Reputation des eigenen Instituts auswirken? Interessanter ist jedoch der Blick nach vorn: Wie könnte die Sparkasse stattdessen die Transformation ihres Partners in ein langfristig nachhaltiges Geschäftsmodell unterstützen? All dies sind heute keine rein hypothetischen Fragen mehr. Banken und Sparkassen müssen bei der Prüfung vob Kreditvergabeprozessen in der Lage sein, Ausfall- und Finanzierungsrisiken sicher zu beurteilen. Doch nicht allein die finanzielle Betrachtung spielt zukünftig eine wichtige Rolle, sondern auch die Einschätzung und Bewertung von zukünftigen Nachhaltigkeitsrisiken im eigenen Kreditportfolio. Sparkassen als lokal verankerte Kreditinstitute mit ihrer besonderen Markt- und Kundennähe können ihren Kunden zugleich aktive Impulse für Investitionen in zukunftssichere Geschäftsbereiche vermitteln. Auch in der Geschäftsstrategie der Sparkassen selbst ist Nachhaltigkeit – soziales Handeln, eine verantwortungsvolle Unternehmensführung und der Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen – verankert. Bis 2025 sollen alle Institute nachweislich »nachhaltiger« aufgestellt sein und dabei mindestens die regulatorischen Anforderungen erfüllen. So sieht es das »Zielbild 2025 – Leitfaden zur Nachhaltigkeit in Sparkassen« vor, das von mehr als zwei Dritteln der Sparkassen umgesetzt wird. Die dazu flankierend aufgestellte freiwillige »Selbstverpflichtung Deutscher Sparkassen für klimafreundliches und nachhaltiges Wirtschaften« definiert folgende Zielfelder für mehr Nachhaltigkeit in den Sparkassen:

  • den CO2-neutralen Geschäftsbetrieb,
  • die Ausrichtung von Finanzierungen und Eigenanlagen auf Klimaziele, und
  • die Unterstützung von Kunden bei der Transformation.

ESG-Score als Ausgangspunkt

Sparkassen unterstützen ihre Kunden bei der Transformation zum klimaneutralen Wirtschaften. Begleitend zu diesen vertrieblichen Ansätzen hat die Sparkassen-Finanzgruppe flächendeckend für ihre gewerblichen und Immobiliengeschäftskunden den sogenannten »ESG-Score« eingeführt, der auch seit Release 23.1 in OSPlus bereitsteht. Der ESG-Score basiert auf den fachlichen Vorgaben der Sparkassen Rating und Risikosysteme GmbH (SR), diesich aus den im Merkblatt der Bundesanstalt für Finanz-Dienstleistungsaufsicht (BaFin) genannten Nachhaltigkeitsrisiken ableiten. Diese Nachhaltigkeitsrisiken werden in die drei Bereiche Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) unterteilt. Man spricht allgemein von ESG-Risiken. Die relevanten Kunden werden regelmäßigen automatisierten Bewertungen unterzogen. Dabei wird auf Basis des Wirtschaftszweiges und der Postleitzahl des Kunden der »ESG-Kundenscore« auf einer Skala von 0 bis 100 ermittelt. Bei Immobiliengeschäftskunden wird zusätzlich auf Basis der im Institut finanzierten inländischen Immobilien der »ESG-Portfolioscore« auf einer Skala von 1 bis 5 berechnet. Bei Bedarf kann eine individuelle Kundenbewertung durchgeführt werden. Die ESG-Risiken des Kunden werden dabei im Vergleich zur Branche bewertet und der ESG-Portfolioscore wird im Gesamtergebnis berücksichtigt. Neben den automatisierten Bewertungsläufen können bei Bedarf jederzeit manuell über die Anwendungsoberfläche Anlassbewertungen erstellt werden.


Transformationsfinanzierung für klimaneutrales Wirtschaften
Transformationsfinanzierung für klimaneutrales Wirtschaften


Nachhaltige Kredite – grüne Zahlen?

Aktuelle wie zukünftige regulatorische Vorgaben lassen erwarten, dass sogenannte »Nachhaltigkeitsrisiken« stärker geprüft werden müssen, da sie Auswirkungen auf das Kreditportfolio haben werden. Ab dem Berichtsjahr 2023 gilt nach der EU-Richtlinie 2022/2464 die sogenannte »CSRD«-Pflicht für Unternehmen, die zwei von drei der folgenden Kriterien erfüllen: über 250 Mitarbeitende, über 25 Mio. Euro Bilanzsumme oder über 50 Mio. Euro Umsatz. Die »Corporate Sustainability Reporting Directive« (CSRD) muss bis zum 6. Juli 2024 rückwirkend zum 1. Januar in nationales Recht umgesetzt werden. Damit entsteht eine verbindliche Rechtsgrundlage, mit der die Klassifizierbarkeit als nachhaltiger Verwendungszweck regulatorisch geregelt wird. Kredite an CSRD-berichtspflichtige Unternehmen können in Folge über die Green Asset Ratio (GAR) gemessen und bewertet werden. Die umfangreiche Taxonomie-Prüfung erfasst zum Teil sogar Details wie etwa den Lebenszyklus der Bauteile einer Fotovoltaik-Anlage. Für die Sparkassen schafft dieser Rechtsrahmen jedoch neue Herausforderungen. Denn ein Großteil – 99 Prozent – ihrer Kundensegmente im gewerblichen Bereich war und ist nicht berichtspflichtig und wird es auch nicht nach CSRD-Kriterien werden. Auf den ersten Blick kein Problem, jedoch wird für die Institute dadurch nur eine geringe Green Asset Ratio im Rahmen der eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten realisierbar.

Die Lösung: das Finanzierungsrahmenwerk

Die Anwendung der EU-Taxonomie ist nur für CSRD-berichtspflichtige Unternehmen geregelt. Für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) dagegen entfaltet sie keine direkte Wirkung. Hier klaffte eine echte »Lücke«, denn zugleich machen KMUs einen Großteil der gewerblichen und Firmenkunden der Sparkassen aus. Um hier handhabbar und robust Abhilfe zu schaffen, hat das DSGV-Projekt Transformationsfinanzierung das »Finanzierungsrahmenwerk« geschaffen. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Das Finanzierungsrahmenwerk versetzt Sparkassen in die Lage, den gewerblichen, nicht berichtspflichtigen Kunden ein konkretes Lösungsangebot für nachhaltige Kredite zu machen, was in dieser Tiefe und Ausgestaltung bislang einzigartig auf dem Markt ist. Im Sinne ihres öffentlichen Auftrags und damit einhergehender Verantwortung orientiert sich die Sparkassen-Finanzgruppe an gängigen nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen (UN), der Bundesgesetzgebung sowie den Zielen der jeweiligen Bundesländer. Insbesondere die Förderung des Klimaschutzes, das »E« der ESG-Definition, steht im Finanzierungsrahmenwerk im Fokus. Als aktiver Begleiter ihrer Kunden bei der nachhaltigen Transformation fördern die Sparkassen Investitionen, die einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten und ihre Kunden auf dem Weg hin zu einem nachhaltigen Unternehmen unterstützen. Sparkassen begleiten diese Investitionen durch gezielte Beratung und Finanzierungen (inkl. Fördermittel), um sicherzustellen, dass sie eine positive Wirkung haben und den Weg zu mehr Nachhaltigkeit ebnen. Sie werden als »nachhaltige Finanzierungen« klassifiziert. Für diese Klassifizierung orientiert sich das Finanzierungsrahmenwerk maßgeblich an den Nachhaltigkeitsstandards der UN und der EU-Taxonomie. Letztere hilft der Unterscheidung zwischen »nachhaltigen Finanzierungen« mit dem Fokus auf Klimaschutz im Bereich Umwelt und »konventionellen Finanzierungen«.

Mehrstufige Prüflogik

Wird ein Investitionsvorhaben mit dem Finanzierungsrahmenwerk geprüft, startet ein mehrstufiger Prozess:

  1. Zunächst wird betrachtet, ob das Finanzierungsvorhaben mittels eines definierten Förderprogramms abgebildet werden kann und ob der Kunde die Einbindung des Förderprogramms wünscht.
  2. Um den Aufwand für die Beraterinnen und Berater in den Sparkassen dabei so gering wie möglich zu halten, sind bei den zu prüfenden Fällen bestimmte Förderprogramme direkt als »nachhaltig« klassifiziert und werden auf einer sogenannten »White List« geführt. Finanzierungsvorhaben, die dadurch den Kriterien des Förderprogramms genügen, sind damit automatisch als »nachhaltig« gemäß Transformationsfinanzierung eingestuft.
  3. Im nächsten Schritt wird geprüft, ob das Vorhaben in Deutschland ausgeführt wird. In der Prüflogik des Finanzierungsrahmenwerks werden nämlich Kriterien, welche bei Konformität mit in Deutschland geltendem Recht immer erfüllt sind, nicht durch die Beraterin bzw. den Berater erneut geprüft.
  4. Im letzten Schritt wird dann der Verwendungszweck näher betrachtet: Liegt ein an die Taxonomie angelehntes konkretes Investitionsobjekt zugrunde und ist ein Nachweis über die Mittelverwendung gegeben?
Transformationsfinanzierung: Mehrstufiger Prüfprozess
Transformationsfinanzierung: Mehrstufiger Prüfprozess


Fokusbranchen werden besonders berücksichtigt

Wie jedoch mit Bereichen umgehen, die aktuell zwar nicht in der EU-Taxonomie aufgeführt sind, für die Sparkassen jedoch eine wichtige Rolle spielen, z.B. die Landwirtschaft? Um hier Abhilfe zu schaffen, gibt es zusätzlich eine soge-nannte KPI (Key-Performance-Indicator)-Prüfung, die z.B. bei Finanzierungen in der Landwirtschaft auf »wesentliche Beiträge« zur Nachhaltigkeit achtet. Da die Fokusbranchen, wie z.B. Grundstücke/Immobilien, Landwirtschaft, Baugewerbe, rund 90 Prozent des Ertragspools der Transformationsfinanzierung ausmachen, finden diese im Finanzierungsrahmenwerk besondere Beachtung. Außerdem werden branchen- und segmentübergreifende Verwendungszwecke aus den Bereichen Elektromobilität, Energetische Gebäudeeffizienz und Erneuerbare Energien (PV) benannt. Mit dieser Kombination wird der allergrößte Teil der Geschäftsvorfälle mit dem Finanzierungsrahmenwerk auf Nachhaltigkeit geprüft werden können.

Sparkassen als »First Mover«

Die Transformationsfinanzierung, kurz: »Trafofi«, setzt damit die entscheidenden Leitplanken für Finanzierung in nachhaltige Investitionsprojekte für 99 Prozent der gewerblichen Kunden in der gesamten Sparkassen-Finanzgruppe. Das ermöglicht es den Instituten, im deutschen Bankenmarkt zum »First Mover« bei nachhaltigen Finanzierungen für kleinere und mittlere Unternehmen zu werden. Zurzeit wenden sechs Sparkassen das Regelwerk zur weiteren Validierung auf tatsächliche Praxisfälle an. Die technische Umsetzung durch die FI in OSPlus und die Einbringung in die Kreditprozesse für Firmenkunden ist bereits in Arbeit und erfolgt in enger Abstimmung mit dem DSGV und den praxisvalidierenden Sparkassen. Eine der wichtigsten Maxime ist dabei die einfache Handhabung für die Beraterin und den Berater in den Instituten. Noch in diesem Jahr wird dann eine praxisverprobte Lösung ausgeliefert, mit denen Sparkassen aktiv auf ihre Kunden zugehen können.

In den kommenden Ausgaben des FI-Magazins werden wir weiter darüber berichten.