Das Metaverse: Eine einzigartige, allumfassende und zutiefst immersive virtuelle Welt. Wurde der Begriff und das zugrundeliegende Konzept bereits 1992 in Neal Stephensons Roman »Snowcrash« geprägt, so scheint das Metaverse heute praktisch allgegenwärtig zu sein. Nun ja, so ganz stimmt das nicht. Obgleich Mark Zuckerberg fieberhaft bemüht ist, es aufzubauen (was auch immer »es« tatsächlich sein mag), wobei er sogar so weit ging, sein Unternehmen umzubenennen, um seinen hochfliegenden Ehrgeiz noch besser widerzuspiegeln, und obwohl unzählige Experten und Berater die darin verborgenen, unfassbaren Möglichkeiten anpreisen, existiert das Metaverse bis dato (noch) nicht – und nachdem der Zauber des Neuen verflogen ist, will anscheinend auch kaum jemand eine VR-Brille aufsetzen, um es selbst zu erleben.
Wir leben längst im Metaverse
Um genauer begreifen zu können, was da eigentlich vor sich geht, ist es ratsam, erst einmal ein paar Schritte zurückzutreten und sich anzuschauen, was das Metaverse heute ist, was es nach der Meinung einiger Menschen sein sollte und was es sein könnte, wenn man die überzogenen Erwartungen und den atemlosen Hype innerhalb der Branche einmal außer Acht lässt. Dabei leben wir schon seit geraumer Zeit im Metaverse, könnte man einwenden: Täglich verbringen wir viele Stunden vor unseren Computern, Smartphones, Tablets und Smart-TVs und sind tief versunken in einer Welt, die einzig digital existiert. In dieser virtuellen Welt geben wir unser hart verdientes Geld aus (und wenn wir es nicht selbst tun, dann gewiss unsere Kinder) und kaufen uns Dinge, die es nur in der virtuellen Umgebung gibt. Mit Sicherheit können wir davon ausgehen, dass sich dieses Verhalten fortsetzen und ausweiten wird, und dass es immer umfassender werden wird. Nachdem eine weltweite Pandemie als unerwünschter Beschleuniger agiert hat, haben wir unsere Vertiefung in die virtuelle Welt derart exponentiell beschleunigt, dass ich persönlich Leute kenne, die ein Zoom-Meeting einem IRL-Meeting (In Real Life) jederzeit vorziehen. Unsere Kinder haben in den grenzenlosen Weiten digitaler Spielplätze wie Robolox, Minecraft oder dem unvermeidlichen Fortnite eine verlockendere Alternative zu anderen Freizeitmöglichkeiten in der realen Welt entdeckt.
Von Zuckerberg besessen, von Microsoft beherrscht?
Während sich all diese Entwicklungen abspielen, gibt es bekanntermaßen einen gigantischen Hype um die tief immersive, in 3-D gerenderte Zukunftsfantasie »Ready Player One« (für diejenigen, die nicht in die Materie eingeweiht sind: Ready Player One ist ein Buch und ein gleichnamiger Film über das Metaverse – und er ist wirklich gut, unbedingt lesen oder ansehen!). Es geht um jenes Metaverse, das Mark Zuckerberg besitzen möchte, das Microsoft zu beherrschen hofft und in dem unzählige Start-ups enorme Gewinnmöglichkeiten wittern.
Das ganz reale Problem am Metaverse ist jedoch, dass es (noch) nicht existiert und voller Versprechungen steckt, die auf Annahmen beruhen, die wahre Quantensprünge in puncto Technologie einerseits und gesellschaftlicher Akzeptanz andererseits erfordern. Um beispielhaft einige der Herausforderungen zu nennen, mit denen sich Unternehmen wie Meta auseinandersetzen müssen: riesige Anforderungen an die Bandbreite bei möglichst geringer Latenzzeit, Headsets, bei denen nicht einem Viertel der Nutzer übel wird und Nutzern, die gewillt sind, viel Zeit mit dem Tragen eines Headsets zu verbringen, das sie von ihrer Umwelt abkapselt.
Und damit ist noch nicht an eines der größten Probleme des vollständig immersiven Metaverse gedacht – bis jetzt ist es unglaublich schwer, im Metaverse Dinge zu gestalten und nicht nur zu konsumieren: Der scheinbar so simple Akt des Einfügens und Bearbeitens von Informationen ist noch weitgehend ungelöst – während man am Computer eine Tastatur und eine Maus oder ein Trackpad hat, auf dem Smartphone oder Tablet die Finger benutzt, hat man im Metaverse bloß plumpe, kaum brauchbare Approximationen derselben.
Kurz gefasst: Lassen wir Mark Zuckerberg und Konsorten erstmal in Ruhe überlegen, wie »ihr« Metaverse aussehen soll, und konzentrieren wir uns lieber darauf, dass Beste aus dem Metaverse zu machen, in dem wir bereits leben.