Während ich diese Zeilen schreibe, schwitze ich inmitten der brütenden Hitzewelle, die seit einigen Wochen weite Teile der Vereinigten Staaten in ihrem Griff hat. Trotzdem gibt es Menschen, die behaupten, wir befänden uns gerade mitten im „Winter“ - genauer gesagt im „Krypto-Winter“.

Die sich gerade vollziehende Implosion praktisch der gesamten Krypto-Szene wird häufig mit dem Dotcom-Crash im Jahr 2000 verglichen. Krypto-Anhänger benennen die Implosion eines Krypto-Unternehmens nach dem anderen gerne mit dem bereits erwähnten Ausdruck „Krypto-Winter“ - einen hoffnungsvollen Verweis darauf implizierend, dass dies nur eine „Phase“ ist und der Frühling schon bald vor der Tür steht. Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum haben massiv an Wert eingebüßt, stabile Coins (bzw. solche, die man für „stabil“ hielt) wie terraUSD sind komplett zusammengebrochen, und Start-up-Unternehmen aus der Branche, wie z. B. die Krypto-Kreditplattform Celsius, haben Konkurs angemeldet und dabei vielfach das Geld ihrer Kunden mitgerissen. Und der Markt für Non-fungible Tokens? - Ach, das will man doch gar nicht wissen.

Wie war das eigentlich im Jahr 2000?

Es herrscht ein heilloses Durcheinander - und doch, wie uns die Krypto-Gemeinde gerne erzählen wird, standen wir schon einmal an dieser Stelle: Wir schrieben das Jahr 2000, als die Internetblase platzte und damals noch nie dagewesene Summen von Investorengeldern (in einer Größenordnung von 5 Billionen US-Dollar) vernichtete - und siehe da, wo sind wir heute angekommen? Phoenix (also Google, Facebook und viele andere) ist aus der Asche auferstanden. So lautet also die Argumentationslinie: Das ist doch genau wie im Jahr 2000. Schon in ein paar wenigen, kurzen Jahren wird es prachtvoll aussehen.

Auf den Dotcom-Crash im Jahr 2000 blicke ich aus einer etwas anderen Perspektive als die vielen Meinungsmacher, die zu jung sind, um das ruhmreiche „Platzen der Blase“ miterlebt zu haben: Ich war damals selbst dabei. Und zwar nicht bloß als passiver Beobachter, sondern als Gründer eines mit Risikokapital finanzierten Unternehmens, das von der plötzlichen Deflation der Dotcom-Blase mitgerissen wurde.

Unterschied zum Dotcom-Crash

In einem wichtigen Punkt unterscheiden sich das Internet im Jahr 2000 und die heutige Kryptowelt dramatisch voneinander: Während des Dotcom-Crashs und danach ließ die Verwendung des Internets durch die weltweiten User nicht nach - sie blieb zunächst konstant und wuchs später (exponentiell). Die Menschen machten weiterhin ihr Ding, nutzten das Internet, um sich zu unterhalten, zu kommunizieren und einzukaufen. Die Nutzung von Kryptowährungen hingegen brach ein - und sie geht weiter zurück.

OpenSea, der größte Marktplatz für Non-Fungible-Tokens (NFT), entlässt derzeit nicht nur massenhaft Mitarbeiter, sondern verzeichnet zudem einen deutlichen Handelsrückgang. Das Kryptospiel Axie Infinity, das zuvor nicht nur als die Zukunft des Gamings, sondern mit seinem Ansatz „Spielen, um Geld zu verdienen“ auch als die Zukunft der freiberuflichen Erwerbstätigkeit gepriesen wurde, verzeichnete einen Schwund seiner aktiven Nutzer bis auf ein Bruchstück der vorherigen Zahlen. Die Leute scheinen mittlerweile aufzuwachen und zu begreifen, dass es „zu schön ist, um wahr zu sein“, wenn Krypto-Kreditplattformen 20 Prozent prozentuale Jahresrendite anbieten.

Wie wir in dieser Kolumne schon in anderen Zusammenhängen erörtert haben, ist längst nicht alles Gold, was glänzt. Technologien brauchen ihre Zeit, um zu reifen und ihren spezifischen Anwendungsfall zu finden. Im Fall von Kryptowährungen glaube ich nicht, dass wir die „Killer-App“ schon gesehen haben (falls es so eine - oder auch mehrere - gibt). Die Zeit wird zeigen, wie es weitergeht... Bis dahin lasst uns alle den Sommer genießen und den Winter Winter sein lassen.


Pascal Finette ist Mitbegründer von be radical, Vorsitzender des wavespace Advisory Board von EY und Mitglied des Digital Advisory Board von Pearson. Seit 2018 schreibt Finette regelmäßig für das FI-Magazin.

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