Wie können durch adäquate IT-Systeme Stabilität, Sicherheit bei Planung sowie Steuerung und damit in Zukunft die Prognose möglicher Krisenzeiten verbessert und sichergestellt werden? Viele Banken planen in ihrer Mittelfristplanung über einen Zeitraum von fünf Jahren. Entsprechend ist der Blick auf Risiken an vielen Stellen auf diesen Zeithorizont begrenzt. Typische Bankgeschäfte laufen jedoch oft deutlich länger, z. B. Immobiliendarlehen. In den Instituten standen bisher nur begrenzt Instrumente zur Verfügung, um Ertrags- und Risikopotentiale eines Geschäfts über den gesamten Produktlebenszyklus hinaus zu betrachten. Die Einführung der Ökonomischen Risikotragfähigkeit im Zuge des Rollouts der neuen OSPlusBanksteuerung ergänzt den Instrumentenkasten der Sparkassen-Finanzgruppe, um den Wert und die Risiken eines Einzelgeschäfts über den kompletten Produktlebenszyklus hinweg zu analysieren. Ziel ist es, die Risiken genauer zu prognostizieren, um auf Krisen schneller reagieren zu können. Im aktuellen Marktumfeld der sehr schwankungsanfälligen Kapitalmärkte und stark steigender Zinsen ist dieser Blick auf die Gesamtbank sehr wertvoll, denn die ökonomische Risikotragfähigkeitsrechnung befähigt die Institute zu erkennen, wie sich die Substanz und die damit verbundenen Reserven entwickeln. Bei steigenden Zinsen kann so schnell auf einen Substanzverzehr reagiert werden, indem u. a. Maßnahmen zur Reduzierung des Zinsrisikos ergriffen werden.
Blick in die Zukunft – Einfacher mit Hilfe der neuen Gesamtbanksimulation
Auf Basis der methodischen Konzeption der Sparkassen Rating und Risikosysteme GmbH (SR) hat die Finanz Informatik als Digitalisierungspartner im ersten Schritt die technische Umsetzung der ökonomischen Risikotragfähigkeit seit 2017 vorangetrieben und im letzten Jahr an die Institute ausgerollt. Insgesamt gilt es, die komplexen Anforderungen an die Gesamtbanksimulation zu adressieren, die sich aus betriebswirtschaftlichen Fragestellungen (z. B. Erstellung einer integrierten Gesamthausplanung und Unterstützung bei betriebswirtschaftlichen Entscheidungen), aufsichtlichen Anforderungen (z. B. an die Umsetzung der neuen Risikotragfähigkeit) und der integrierten Sichtweise und Konsistenz von operativer Geschäftsplanung und Kapitalplanung laut neuer MaRisk-Novelle ergeben.
Neben der bereits erwähnten Ökonomischen Risikotragfähigkeit mit der Gegenüberstellung Risikodeckungspotenzial (RDP) zu Risiken und Ermittlung RDP- und Limitauslastung wird im April 2023 der volle Methodenumfang in die Fläche ausgerollt. Hier sind insbesondere die Gesamthausplanung mit der integrierten Simulation der vollständigen Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) im Planungshorizont, die Ermittlung steuerungsrelevanter Kennzahlen und die Szenariofähigkeit. Ebenso enthalten sind die normative RTF mit Kapitalplanung und adversen Szenarien, die automatische Berücksichtigung integrierter Effekte inkl. Verzahnung operativer Geschäftsplanung mit Kapitalplanung und die Simulation regulatorischer Eigenmittel, Risikopositionsbeträge und aufsichtsrechtlicher Quoten. Für alle Institute entsteht dadurch ein echter Mehrwert: mit einheitlichem Standardverfahren, Unterstützung betriebswirtschaftlicher Entscheidungen, Umsetzung regulatorischer Anforderungen, flexible Simulation von Maßnahmen und Szenarien und zentral bereit gestellte und validierte Methodik und Parameter. Im Jahr 2023 wird die Gesamtbanksimulation um weitere Funktionen ergänzt. Dazu gehört z.B. die Trendrechnung, atypische Bestandsveränderung und das LCR (Liquidity Coverage Ratio) -Modul. Mit dieser neuen Steuerungssoftware hat die Sparkassen-Finanzgruppe nicht nur die Methoden-, sondern auch die Umsetzungshoheit in die Organisation zurückgeholt und die Abhängigkeit von Drittanbietern reduziert. Damit ist gewährleistet, dass künftige Lösungen bedarfsorientierter erstellt werden können und alle Softwarekomponenten optimal zusammenspielen.
Moderne Softwarelandschaft zur Umsetzung der ökonomischen Risikotragfähigkeit
Für die Umsetzung der ökonomischen Risikotragfähigkeit wurden verschiedene spezialisierte Anwendungen entwickelt und in 2022 sukzessiv bereitgestellt. Diese Anwendungen haben unterschiedliche Aufgaben im Rahmen der Erstellung der Risikotragfähigkeitsrechnung. Hier ein kleiner Auszug von Aufgaben in den verschiedensten Anwendungen:
- In der Analyse variables Geschäft (AVG) werden die Mischungsverhältnisse im variablen Kundengeschäft abgeleitet und für die weitere Verarbeitung bereitgestellt.
- Diese Mischungsverhältnisse werden in der zahlungsstromorientierten Kundenkalkulation zur Cashflow-Generierung (Kundenkalkulation) herangezogen. Weiterhin werden in der zok Cashflows für das festverzinsliche Kundengeschäft aufgestellt.
- Die Analyse impliziter Optionen (AnimO) dient zur Abbildung der optionalen Geschäftsbestandteile im Kundengeschäft und ergänzt damit die CashflowGenerierung.
- Die Bewertung der Eigengeschäfte erfolgt in SimCorp Dimension. Die Lösung stellt die Bewertungen inkl. der Cashflows im IDH zur Verfügung.
- Mithilfe des Integrierten Korrekturdienstes können u.a. im IDH fehlende Geschäfte ergänzt werden.
- Auf Basis der bereitgestellten Zahlungsströme ermittelt IDH Marktpreisrisiko die Marktpreisrisiken wie z.B. das Zinsänderungsrisiko. Es ermittelt u.a. den Substanzbarwert aller Geschäfte, welcher in das ökonomische Risikodeckungspotential (»Substanz der Sparkasse«) eingeht.
- LQR ist für die Berechnung der Liquiditätsrisiken verantwortlich. In der ökonomischen Perspektive wird das Liquiditätsrisiko in Form des Refinanzierungskostenrisikos quantifiziert.
- Die Anwendung CPV (Credit Portfolio View) wird weiterhin in der ökonomischen Perspektive für die Quantifizierung der Adressenausfallrisiken genutzt.
»Der Mehrwert liegt in der Effizienz.«
Welche Bedeutung hat die ökonomische Risikotragfähigkeit für Ihr Haus?
Sie stellt die interne Definition unseres Risikodeckungspotentials dar, das im Einklang mit unserer langfristigen Kapitalplanung und damit der strukturellen Ausrichtung der Kreissparkasse Waiblingen steht. Die mit dieser längerfristigen Ausrichtung unseres Hauses übernommenen Risiken aus dem Kundenkreditportfolio und dem Eigengeschäft, deren Refinanzierung sowie zusätzlich der operationellen Risiken werden über die ökonomische Sichtweise auf Basis eines hohen Konfidenzniveaus ermittelt und transparent. Diese Risikoausprägung stellen wir dem eingesetzten Risikodeckungspotential gegenüber. Damit ist die ökonomische Perspektive die risikotragende Komponente, die den Gläubigerschutz sicherstellt. Dies drückt das hohe Konfidenzniveau aus.
Wie waren Sie im FI-Umsetzungsprojekt und im Sparkassenprozess eingebunden?
Die Kreissparkasse Waiblingen hat intern ein Projekt aufgesetzt, dass den Meilensteinplanungen des SVBW, der FI und der SR folgt. Die interne Projektleitung obliegt dem Gruppenleiter für das Risikocontrolling, Herrn Fabian Maier, die Co-Projektleitung Frau Davina Kröpfl, Referentin im Risikocontrolling. Als Abteilungsdirektorin Gesamtbanksteuerung erstreckt sich meine Verantwortung einerseits auf die Ressourcen- und Budgetplanung für das Gesamtprojekt und andererseits auf die Vernetzung der neuen Risikotragfähigkeit aus beiden Perspektiven mit der langfristigen Kapitalplanung, der langfristigen Liquiditätsplanung sowie der Ableitung von Steuerungsimpulsen. Aktuell schließt dies die Mitnahme des Gesamtvorstandes sowie des Verwaltungsrates ein, mit dem Ziel, das Verständnis für die »neue Welt« aufzubauen.
Stichwort »neue Oberflächen«: Wie helfen Ihnen diese?
Die neuen Oberflächen unterstützen die Zielstellung der Kreissparkasse Waiblingen, ihre Risikosteuerungs- und Controlling-Prozesse möglichst ohne Medienbrüche und somit effizient zu gestalten. Der Integrierte Datenhaushalt (IDH) stellt dabei sicher, dass sowohl die Verfügbarkeit als auch die Konsistenz der Daten gewährleistet ist.
Für welchen Anwendungsfall nutzen Sie die erweiterte, tägliche Simulationsmöglichkeit?
Derzeit liegt der Fokus auf der Implementierung der Systeme. Künftig finden die Simulationsmöglichkeiten dann Anwendung in unterschiedlichen Szenarien.
Für welche Risikomessverfahren sind Sie in Ihrem Hause zuständig? Welche positiven Aspekte, welchen Mehrwert der Anwendungen sehen Sie für Ihr Haus?
Die Zuständigkeit aller Risikomessverfahren sind in der Abteilung Gesamtbanksteuerung/Gruppe Risikocontrolling gebündelt. Der Mehrwert liegt in der Effizienz: Die Spezialisten – so die Erwartung – können sich künftig intensiver mit erforderlichen Analysen und der Ableitung von Handlungsimpulsen beschäftigen. Neben der Erfüllung aufsichtsrechtlicher Anforderungen erfolgt eine Weiterentwicklung des integrierten Ertrags- und Risikosteuerungssystems der Kreissparkasse Waiblingen.
»Ein Umsetzungsprojekt dieser Größenordnung ist für alle eine Herausforderung!«
Welche Bedeutung hat die ökonomische Risikotragfähigkeit für Ihr Haus?
Neben der aufsichtsrechtlichen Anforderung stellt die ökonomische RTF auch eine wichtige Weiterentwicklung der RTF-Systematik für die Sparkasse dar. Im Gegensatz zur periodischen Sichtweise mit Blick auf die nächsten 12 Monate wird nun auf das gesamte Vermögen der Sparkasse und die wertorientierten Risiken einer Totalperiode geschaut.
Wie waren Sie im FI-Umsetzungsprojekt und im Sparkassenprozess eingebunden?
Die Sparkasse Vorderpfalz konnte das FI-Umsetzungsprojekt als eine von zehn End-to-End-Praxiserprobungssparkassen begleiten. Als stellvertretender Projektleiter war ich von Anfang an in die Umsetzung und in die Erprobung in unserm Haus eingebunden.
Welche positiven Aspekte, welchen Mehrwert der neuen Banksteuerungsanwendungen sehen Sie für Ihr Haus?
Eins vorab: Ein Umsetzungsprojekt in dieser Größenordnung ist aus meiner Sicht eine große Herausforderung für FI, SR und nicht zuletzt für die Sparkassen. Die Anwendungen funktionieren noch nicht alle perfekt. Im Hintergrund wird jedoch sehr viel getan, um Workarounds zu integrieren und um eine stetige Qualitätsverbesserung herbeizuführen. Mittlerweile konnten wir erste Erfahrungen mit den neuen Anwendungen sammeln. Der große Mehrwert liegt in der integrierten Sichtweise und in der Automatisierung und Standardisierung von Prozessen und Berechnungen. Dadurch wird es beispielsweise einfacher, die Wirkung einzelner Maßnahmen auf unterschiedliche Bereiche analysieren zu können. Zusätzlich sind wir nun in der Lage, auch ad-hoc Berechnungen unabhängig von einem Monatsultimo durchführen zu können. Das wäre insbesondere bei volatilen Marktentwicklungen und den in jüngster Vergangenheit erlebten Krisen hilfreich gewesen.
Haben Sie mit dem IDH und den Anwendungen einen besseren Blick auf Ihre Kennzahlen?
Der erste Eindruck ist sehr vielversprechend. Unser Fokus liegt aktuell jedoch noch in der Umstellung der RTF-Systematik und der Analyse und Plausibilisierung der Ergebnisse.
Analysemöglichkeiten der Kennzahlen – wie nutzen Sie diese und wie hilfreich sind Sie?
Zu Analysezwecken nutzen wir diverse IDH-Abfrageschablonen und SQL-Abfragen im IDH-Reporting. Diese sind auf jeden Fall sehr hilfreich, um Ergebnisse nachvollziehen zu können.
Alle Risikomessverfahren übergeben die Simulationsergebnisse und weitere ermittelte Kennzahlen über den gemeinsamen Integrierten Datenhaushalt (IDH) an die Gesamtbanksimulation (GBS), wo sie u. a. für die Berechnung der ökonomischen Risikotragfähigkeit genutzt werden. Dadurch haben die Institute einen umfassenden Blick auf alle Daten und Kennzahlen sowie neue Reporting- und Analysemöglichkeiten.
Vorteile für die Sparkassen
Der Vorteil des Zusammenspiels der einzelnen Anwendungen ist Daten- und Methodenkonsistenz. Ein Beispiel hierfür ist die einheitliche Verwendung des Varianz-Kovarianz-Ansatzes (VKA) für die Quantifizierung der verschiedenen Risikoarten. Die moderne Architektur ermöglicht den Sparkassen Berechnungen bis auf Ebene der Einzelkonten und diese bei Bedarf täglich durchzuführen. Dadurch wird eine neue, bisher nicht gekannte, Detailtiefe erreicht. Mit my new standard erhalten die Manager der Institute einen Überblick darüber, welche Standards bereitgestellt werden – denn nur mit der Nutzung der Standards können vollumfänglich die Vorteile der neuen Banksteuerung in den Instituten realisiert werden.
Benutzeroberflächen sind State of the Art
Neben der neuen technischen Infrastruktur wurden für die neue OSPlus- Banksteuerung State-of-the-Art-Benutzeroberflächen entwickelt, welche sich durch einen besonders hohen Benutzerkomfort auszeichnen. Durch den einheitlichen Standard wird die Bedienung intuitiv und erlaubt den einfachen Wechsel zwischen den einzelnen Anwendungen. Mit dem IDH-Reporting stehen zudem umfassende aussagekräftige Standardreports zur Verfügung als auch die Möglichkeit individuelle Auswertungen zusammenzustellen. Die Anwendungen erlauben darüber hinaus komfortable Simulationen und detaillierte Analysen bis auf die einzelnen Konten. Mit der Mehrschicht-Architektur und den dynamischen Schnittstellen ist weiterhin eine zentrale Rechteund Lastensteuerung möglich.
Auch im Rollout wurden allen Rollout-Beteiligten unterstützende Tools und Anwendungen für Kommunikation, Steuerung, Schulungen, Datenabgleich, Rollout-Management zur Verfügung gestellt. In Summe lässt sich festhalten, dass mit dem Rollout der neuen OSPlus-Banksteuerung die Sparkassen eine innovative benutzerfreundliche Softwarelösung bereitgestellt bekommen, die nicht nur neue aufsichtsrechtliche Anforderungen erfüllt, sondern flexible Auswertungen und einen neuen Blick auf die Sparkasse im Rahmen der ökonomischen Risikotragfähigkeit ermöglicht.
Wie geht es weiter?
Mit dem Rollout der ökonomischen Risikotragfähigkeit wurde in 2022 ein wichtiger Meilenstein bei der Implementierung der neuen OSPlus-Banksteuerung erreicht. In 2023 gehen die Anwendungsentwicklung und der Rollout weiter und die bisherige gekapselte Version von GBS wird auf den vollen Methodenumfang erweitert. Der Fokus liegt dabei auf der Implementierung der normativen Risikotragfähigkeit. Diese ergänzt die ökonomische Sichtweise um eine periodische und ist damit grundsätzlich vergleichbar mit der bisher durchgeführten Mittelfrist- und Kapitalplanung der Sparkassen. Dies ist ein weiterer Schritt, um die Methoden und Umsetzungshoheit in der Sparkassen-Finanzgruppe zu stärken.